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Warum hat sie das bloß gemacht?

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Weitere Sinnierereien aus dem Nirvana

Erbsünde und Spiegelsaal

Bertrand Russell:
Many people would rather die than think; in fact, most do

Erbsünde ist, den Apfel der Erkenntnis abzulehnen.

Wie kann die Rasse mit dem größten Gehirn so feige sein, in den geistigen Uterus zurückzustreben, in dem alle Verantwortung, alle Pflichten, alle Sorgen, aber auch alle Rechte von Muttern getragen wurde, die uns wärmte, die uns nährte, die uns beschützte?

Lauter „Peter Pans“ ist uns die Welt zu groß geworden. Vor allem die Welt, die wir selbst erschaffen haben, scheint uns viel zu feindlich gesinnt, um ohne Mutter- oder Vaterfigur existieren zu können – wir testen die Zugewinnfunktion der Intelligenz aus und nicht zum ersten Mal. Beim ersten Mal erfanden wir nämlich die Sprache und schwangen uns damit zur herrschenden Rasse dieser Welt auf, wir drängten den Einfluss der Natur zurück, nur um unseren eigenen, triebhaften explodieren zu lassen und uns damit eine Hölle zu schaffen, der wir geistig nicht standhalten und schmählich davor versagen.

Passt nicht in das selbstgefällige, selbstverliebte „die Krone der Schöpfung“-Bild, das wir uns geschaffen haben, aufgebrochen, „uns die Erde untertan zu machen“? Das, Kinder, werden wir nie schaffen, auch wenn ihr das niemals begreifen werdet, ohne euch mit den Abläufen der Natur beschäftigt zu haben. Nur dann, Kinder, werdet ihr die Allgewalt des Universums dahinter spüren, vor der ihr nicht mal lächerliche Ameisen, sondern schlicht – so mathematisch gerundet – eine Null seid. Doch das verletzt euer Ego so sehr, dass ihr lieber die Augen verschließt und euch Märchen erzählt.

Märchen voller Verantwortungsverweigerung und Unterwürfigkeit, voller Vogel-Strauß-Politik und ungebremster Bedürfnisbefriedigung, Märchen für die Kleinen eben.

Bertrand Russell:
It has been said that man is a rational animal. All my life I have been searching for evidence which could support this

Macht euch die Erde untertan – so eine Verdrehung von Realität, so eine Leugnung von Erkenntnis ist wohl nur möglich, wenn man den „Apfel der Erkenntnis“ als das Sinnbild des Bösen betrachtet, wenn man Glauben vor Wissen setzt.

Und damit das größte Geschenk der Natur, unser prächtiges Gehirn, ausschlägt.

Wurde nicht von diesem Scientologen die Mär vom ungenützten Gehirn geprägt, die von so vielen Leuten nun als „Wahrheit“ verkündet wird? Nichts in diesem Universum geschieht ohne Grund - Gottfried Wilhelm Leibniz, 1646-1716. Und nichts wird aus dem Nichts erschaffen, höchstens aus dem Quantenrauschen. Unser Gehirn ist ein ungeheuer aufwändiges Meisterwerk, das den Körper viel Energie und die Rasse viel, viel Mühe kostet – die Müttersterblichkeit ist ungeheuer hoch und zwang die Menschheit, ihre Kinder „viel zu früh“ zu gebären, lange bevor sie das Entwicklungsstadium erreichen, dass Affen gegönnt wird, um gesunde Nachkommen mit einer guten Überlebenschance zu haben. Das muss bei Menschen alles von der Mutter geleistet werden und zwar nicht nur mal ein halbes Jahr, sondern viele, viele Jahre, in denen sie regelrecht behindert ist durch die kleinen Menschlein, die sie mit zu ernähren und zu schützen hat. Das senkt die Überlebenschancen bei Tieren gewaltig, doch unser Gehirn, das dieses Opfer verlangte, schenkte uns die Möglichkeit, über Kultur, über Medizin und Nachbarschaftshilfe, dieses Manko auszugleichen – und unsere „neuen“ Möglichkeiten in unserem Interesse umzusetzen.

Würden wir tatsächlich unser Gehirn nicht völlig „ausnützen“, würde unsere Rasse einen evolutionären Vorteil verschenken – wozu? Mutter Natur ist kein Angeber, der mit viel zu großem Auto protzen muss. Die Frage an diejenigen, die eine solche Geschichte verbreiten und sogar daran glauben, müsste wohl sein, wie viel ihres mühsam verdienten Geldes sie denn für Status-Artikel verbraten, statt für Dinge, die sie mehr oder minder notwendig brauchen.

Dass wir aber tatsächlich weitaus „dümmer“ als unser Gehirn sind, dürfte jedem klar sein – ohne die sensorischen und instinkthaften Aufarbeitungen der eingehenden Signale würden unser Bewusstsein vom Information-Overflow erschlagen werden.

Und dass wir weitaus feiger sind als unser Gehirn, ist auch keine Frage: Unser Gehirn stellt sich dieser Welt, selbst wenn unsere Körper schwach sind, sogar wenn sie krank und behindert sind, versucht unser Gehirn noch, aus all den Möglichkeiten und Gefahren das Beste für uns herauszuholen.

Wir aber drücken uns davor, wir glauben lieber an Märchen als an das, was uns unsere fünf Sinne übermitteln.

Alberto Moravia (1907-1990):
Der Unwissende hat Mut, der Wissende hat Angst

Genau deshalb wissen wir lieber nichts und denken lieber noch ein bisschen weniger nach als unser Gehirn anzustrengen. Ist auch eine Möglichkeit, diesem Scientologen Recht zu geben, wie? Wir nützen unser Gehirn tatsächlich nicht in vollem Maße, doch nicht, weil es die Biologie verbietet, genau die verlangt es eigentlich von uns, nein – nur, weil wir vor lauter Angst die Augen zukneifen.

Und je größer die menschliche Population auf dieser Erde wurde, je mehr sie natürliche Umgebungen durch selbstgemachte ersetzte, umso stärker wurden die Hindernisse, die unser Selbstdenken hemmen:

„dies ist Erbe unserer Kindheit, als wir hilflos einer Welt gegenüberstanden, von der wir gerade mal Null Ahnung hatten. Als Kinder fühlten wir uns auch klein und schwach, die Welt drehte sich so schnell, ständig geschah Unerwartetes, vieles war gefährlich, groß und laut – doch die Erwachsenen strahlten Sicherheit aus, sie schützten uns und hielten die ganze böse Welt in Schach.

Genau diese Sicherheit und Stabilität ist der geistige Mutterleib, in den wir ständig alle zurück streben“

Wieso? Nun, eigentlich ist es ganz einfach, wie immer – wahrscheinlich funktioniert es deshalb so „gut“.

Wer weiß, was Information ist und wer deshalb auch weiß, warum Informationsverarbeitungen in der Form der Fliege strukturiert sind, der weiß auch, wie die grundlegende Strategie einer IV ist, aus all den eintreffenden Signalen ein Muster zu erschaffen: Über Gleichartigkeit und Gleichzeitigkeit wird ein „Teilchen-Wechselwirkungs“-Modell der Realität geschaffen, eine erste Vermutung, welche Objekte wo sich befinden und wie sie sich verhalten mögen. Das Modell wird gegen die Erinnerung geprüft, ob Ähnlichkeiten mit früheren Begebenheiten zu finden sind oder ob sogar Widersprüche auftauchen, die das Modell oder Bestandteile davon verwerfen.

Am Modell wird dann solange herumgefeilt, bis es einerseits mit den Beobachtungen, andererseits mit der Erinnerung übereinstimmt – warum? Aus genau dem Grund, warum Informationsverarbeitung betrieben wird: Weil Information wiederholbare, identifizierbare Wirkung ist und deshalb vorhersehbar! Das heißt, sie ist das einzige und unverzichtbare Element in dieser Welt, das dazu taugt, Entscheidungen zu treffen. Denn Entscheidungen betreffen immer die Zukunft.

Was das mit der Menschheitsregression zu tun hat? Nun, es ist der Widerspruch.

„Aus Fehlern wird man klug“ heißt es und genau das trifft den Kern. Ein Widerspruch zeigt immer, dass ein Modell nicht gut genug ist für die Realität und dass deshalb Entscheidungen, die aufgrund dieses Modells getroffen werden, nicht so gut sein können wie solche, die aus einem besseren Modell erwachsen. Und weil Überleben kein Kinderspiel ist, hat uns Mutter Natur gelehrt, Widersprüche als besonders wichtige Hilfsmittel zum Verständnis unserer Welt zu akzeptieren.

Sie hat uns sehr viel gelehrt, sehr viel instinkthaft programmiert, das uns beim Überleben hilft. Sie hat unsere Sensoren gelehrt, Zufall, das Rauschen, auszusortieren, um nur das noch zu berücksichtigen, was Information sein könnte – wie? Über die Wiederholbarkeit der Information. Sie hat unsere Instinkte und Gefühle gelehrt, ganz spezifische, bedeutende Situationen zu erkennen, die für unser Überleben als Gefahrensignal oder als Nahrung oder zur Fortpflanzung dienlich sind (über die Wiederholbarkeit) – und sie hat unser Großhirn gelehrt, diese Vorarbeiten auf Widersprüche zu prüfen, um nicht nur 80% aller Situationen korrekt zu bearbeiten, sondern eben noch weitaus mehr.

Aber sie konnte uns nicht lehren, unseren Verstand auch zu benutzen.

Wir lehnten den Apfel der Erkenntnis ab.

Albert Einstein:
Zwei Dinge sind unendlich:
das Universum und die menschliche Dummheit,
aber beim Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.

Nun ja, das geschah nicht gleich nach der Erfindung der Sprache und es geschah nicht gleich nach der Erfindung von Symbolen, doch es geschah wohl kurz nach der Erfindung der Landwirtschaft, als wir neue Lebensformen brauchten – in der Form der Fliege -, um die größeren Bevölkerungszahlen und die höhere Arbeitsteilung in ein System zu bringen. Und als wir vor dem Problem standen, die neuen Arbeitstechniken von Landwirtschaft und ihrer planmäßigen Kontrolle (Landvermessung: Geometrie) zu lehren.

Hier setzte wohl der Zeitpunkt ein, an dem die Zugewinnfunktion der Intelligenz ihren Wendepunkt ansteuerte, an dem die Welt für uns komplizierter wurde, als Mutter Natur uns es einprogrammiert hatte – und an dem wir entschieden, dass Instinkte „sicherer“ sind als Verstand und uns den Hindernissen ergaben, die uns das Denken ach so schwer machten:

„Und weil Informationsverarbeitung darauf optimiert ist, Informationen zu erkennen und zu „wissen“ und weil wir die intelligentesten IVs sind, die Mutter Natur hervorgebracht hat, können wir besonders viel Information erkennen und für uns benutzen. Deshalb glauben wir seit ein paar tausend Jahren, schon alles zu wissen. Auf unserer ewigen Suche nach Sicherheit haben wir das Paradies tatsächlich gefunden: den Determinismus, das Glück der totalen Vorhersehbarkeit. Spätestens als Kronos die Zeit besiegte, müssen die Menschen davon überzeugt gewesen sein, dass alles Vorhersehung, Kismet, Schicksal ist und dass Zufall nicht wirklich existiert, dass alles, wie in Newtons Universum, seit dem Anfang vorhersehbar ist und war.

Und wenn schon wir es nicht überblicken können, dann eben die Götter. Wenn schon wir die Unwägbarkeiten des Lebens nicht im Griff haben, denn eben die Götter. Wir verstehen sie zwar nicht, aber es läuft trotzdem alles nach Plan – der Witz dabei, wenn nicht du gar nicht selbst die Herrschaft über das Geschehen hast? Du brauchst dir einerseits Zufälle nicht zu erklären, die du nicht im „Wissen“ hast und kannst andererseits dennoch unbesorgt sein, weil immer noch „Irgendjemand“ das leistet. Und das genügt doch! Denn bei diesem Jemand kannst du dich anbiedern und das hast du als Kind gelernt, das beherrschst du perfekt und damit hast du, wenn auch mit Umwegen, die Sache wieder in den Griff bekommen.

Kants moralischer Imperativ interessiert nicht, wenn es um Urängste geht. Dass uns niemand die Verantwortung über die eigenen Taten abnehmen kann, ist eine rationale Einsicht, keine, die aus dem Bauch heraus kommt. Wer die Verantwortung abgibt, muss immer noch den Preis bezahlen – nur kann er ihn nicht mehr aushandeln, mit allen Unterwerfungsgesten dieser Welt nicht – wer glaubt das dann, so tief im Inneren? Bei Mama hat’s doch funktioniert, also lernten wir alle, dass Schutz von Mächtigen möglich ist, wenn man auf „Liebkind“ macht.“

Natürlich funktioniert Denkverweigerung nicht auf Dauer, der Widerspruch zur Realität ist nicht aufzuheben.

Aber sehen wir uns doch Präsident Bush an! Er macht Dinge, die kein halbwegs vernünftiger Mensch nachvollziehen kann, doch er bewies in seinem ganzen Leben, dass man Fehler über Fehler machen kann, wenn man gute und einflussreiche Freunde hat.

Genau das ist der Punkt.

Er bezahlt nicht für seine Fehler – lässt es andere tun. Wie viele „im Spiegelsaal“ ist er umgeben von Beta-Männchen, die ihm schmeicheln, alles Ungemach von ihm fernhalten und von paarungswilligen Weibchen, die ihm Bewunderung zollen, als wäre er tatsächlich die Krone der Schöpfung. Wie ein Puffer umgibt ihn diese unterwürfige Bananenhaufen-Gruppe und schirmt alles von ihm ab, was seinen rosigen Eindruck von sich selbst und seiner überragenden geistigen Kapazität trüben könnte. Genau deshalb nannte es ein Top-Manager einmal „Spiegelsaal“, weil du nur noch dich selbst in tausend Facetten widergespiegelt erlebst, oben an der Spitze. Natürlich war auch dieser Top-Manager dem System mit Haut und Haaren verfallen: Niemand kann der Magie der Macht widerstehen, kann andere Menschen als gleichberechtigt akzeptieren, wenn er „den Boss“ spielen darf, dazu stecken die Triebe noch viel zu dicht an der menschlichen Oberfläche. Auch dieser Top-Manager erkannte dies erst, nachdem sein eigener Machtpuffer nicht mehr stark genug war, die „Entfernung“, die seine selbstverliebten, unkritischen Entscheidungen allmählich von der Realität trennten, zu überwinden – er erkannte dies erst, nachdem er mit Schimpf und Schande seine Führungsrolle verloren hatte, weil die Widersprüche (!), die seine uninformierten (!), weil abgeschirmten Fehlentscheidungen aufwarfen, einfach nicht mehr zu übertünchen waren: Bertrands Paradox setzt der Erbsünde immer Grenzen oder „Dummheit limitiert sich selbst“.

Und sehen wir das Spiel nicht gerade mit Präsident Bush? Die ganze Welt sieht, dass Joschka Fischer recht hatte und dennoch behauptet Amerika stur und steif, alles liefe doch reichlich prächtig und die „kleinen Störungen“ seien geradezu lachhaft. Und die Macht hat immer Recht: Wir Deutschen schämen uns immer noch für die Klugheit eines Joschka Fischer und dienern uns unterwürfig wieder Präsident Bush an, sehen weg, wenn seine rabiate Armee Städte, also Zivilbevölkerung, Kinder, Alte und Frauen, dafür bestraft, dass sie ihre eigenen Landsleute, die gegen eine Besatzungsmacht kämpfen, nicht schneller töten, als es die Besatzer tun können (Stichwort: irakische Anne Frank) – Sippenhaft wie im Mittelalter und wir dulden das. Wir, die wir uns moderne Menschen nennen und stolz darauf sind, Computer mit der Maus bedienen zu können, benehmen uns immer noch feige und verantwortungslos wie die Spitzel der Inquisition, die Spitzel der Gestapo und die Spitzel der StaSi.

Erbsünde. Wer einmal versagt, tut es immer?

Als die Menschen noch naturnah lebten, sahen sie die Natur noch als „Mutter“ an und als gütig. Sieht niemand die Diskrepanz zu uns Modernen, die wir extrem naturfern leben und sie mehr fürchten als je zuvor? Erinnert dies niemanden an die „Furien“, „Nemesis“ - an Schuldbewusstsein, weil wir sehr wohl wissen, dass wir für unsere Bequemlichkeit, unseren Egotrip, unsere kleinen, billigen Luxuswünschchen unsere Zukunft und die unserer Kinder verspielen, verantwortungslos, feige, blind vor Gier: Erbsünde. Wer einmal versagt, tut es immer? Und Nemesis sagt uns, dass dies unser eigener Schaden sein wird, deshalb häuft sich bei jeder neuen Verletzung unseres Verstandes, der uns sagt, dass wir uns anständig gegenüber Mitmenschen und Natur benehmen müssen zu unserem eigenen Vorteil, dieses Gefühl von drohendem Unheil an. Deshalb fürchten wir jetzt die Natur mehr als jemals zuvor, weil wir niemals zuvor soviel gedankenlosen Schaden anrichteten.

Als die Menschen noch naturnah lebten, da konnten sie es sich nicht leisten, dumm zu sein.

Wer dumm war, machte Fehler und das konnte das Überleben oder das Überleben der Kinder gefährden. Je intelligenter, umso besser, lautete damals ganz offensichtlich die Devise.

Das Gehirn der Menschen wuchs in den letzten 1-2 Mio. Jahren um das Dreifache, um mehr Intelligenz zu ermöglichen.

Und es funktionierte ganz einfach: Signale aufnehmen, auswerten, entscheiden, handeln, mit dem Ergebnis der eigenen Handlung fertig werden. Jäger und Sammler hatten als Richter ihrer Entscheidungen immer Mutter Natur, sie war gerecht, sie war verständlich, sie war erlernbar.

Dann kam die Landwirtschaft und die Städte – und nichts war mehr gerecht, verständlich und erlernbar. Der Mechanismus, mit dem unser Gehirn an die Sache heranging, blieb freilich derselbe: Information zu finden.

Und Information muss nur wiederholbar und identifizierbar sein.

Jedes Märchen erfüllt dieses Bedürfnis. Jede Kultur, die steif und fest behauptet, mit ihren jeweiligen Göttern zu reden, behauptet dies steif und fest zumeist über ein paar Hundert Jahre, solange, bis ihre anfängliche, noch aus intelligentem Verhalten stammende Anpassung an die Umgebung soweit außer Tritt zur Realität gerät, dass die Realität sie auslöscht. So viele Priester dieser Erde scheinen in diesem letzten Stadium auf Menschenopfer verfallen zu sein, um die „zürnenden“ Götter mit dem Wertvollsten zu besänftigen – und alle Schüler wissen, was diese Opfer tatsächlich taugten: Außer Leid und Elend nützten sie nichts, weil du keine Überschwemmung oder Verwüstung mit Gebeten aufhalten kannst.

Warum es immer soweit kommen musste?

Weil die Märchen soviel schöner sind. Der Führer, der Gott, der König, der alles weiß und alles kann und alles im Griff hat, der richtet dir dein Leben ein, wie deine Mutter und dein Vater es dir als Kind taten. Die „Großen“ wissen schon, was los ist und du kannst die „Großen“ manipulieren, in dem du unterwürfig bist.

Wie es die Tiere auch sind bei ihren Alpha-Männchen.

Und anstatt selbst zu denken, lassen wir denken – und wundern uns, dass wir ausgebeutet werden, getötet, verheizt, verbraucht?

Wer die Verantwortung abgibt, muss immer noch den Preis bezahlen – nur kann er ihn nicht mehr aushandeln.

Erbsünde.

Wir lehnten den Apfel der Erkenntnis ab, wollten nicht mehr wissen, wozu unser Gehirn erschaffen war, zum Verständnis der Welt, sondern begnügten uns mit Führer/Göttern als Denk-Ersatz.

Erbsünde.

Und anstatt weiter die Intelligenz zu steigern, fallen wir schneller und schneller in das Alpha-Männchen-Denken vom Stärkeren, der immer Recht hat, zurück, lassen zu, dass unsere Kinder vergewaltigt werden und verkauft wie Ware, dass unsere Frauen nur hirnloses Zuchtvieh sind und unsere Männer Kanonenfutter.

Für ein paar Führer/Götter, die für uns denken sollen, weil Denken weh tut.

Weil wir zu feige sind, uns der veränderlichen Welt zu stellen, die wir selbst so sehr in ihrer Veränderlichkeit beschleunigt haben, dass nur noch (höchstens noch?) Intelligenz uns retten kann.

Pentagon-Report* - ein Begriff?

Erbsünde – wir graben uns unser Grab, wenn wir weiter das Geschenk der Natur ablehnen, unser Gehirn zu benützen.

Greifen wir doch endlich nach dem Apfel der Erkenntnis!

*Deaths from war as well as starvation and disease will decrease population size, which overtime,will re-balance with carrying capacity. Quelle (08.03.2004): http://www.ems.org/climate/pentagon_climatechange.pdf (914 KB)

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Selbstmitleid

George Bernard Shaw (1886-1950):
Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute; seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben.

„Die eigene Existenz setzt auch Grenzen“ – ich bin schon ein „g’scheides Kind“, wie es bei uns auf dem Lande heißt. Und auf dem Land, da gibt’s zwar „koa Sind“, aber leider auch keinen Einfluss, kein Geld, kein Gehör, keinen Multiplikator, kein intellektuelles Zutrauen in das „Bauernvolk“, schrieb ich heute.

Dabei ist gerade unsere süddeutsche Geschichte gar nicht so übel an Erfindern und Kenntnissen – Gutenberg: Mainz ist eine Stunde Autofahrt weg, Mannheim ist Sitz des Brockhaus (© Brockhaus Verlag), der neben der Enzyklopädie von Großbritannien, der damaligen absoluten Supermacht, als das weltweit beste lexikalische Werk gilt! Wer Mannheim jemals mit London vergleichen konnte, muss sich indessen fragen, woran das liegt.

Aber Mannheim ist eben auch die Stadt von Carl und Berta Benz, große liberale Poeten stammen aus der Gegend, das Hambacher Schloss ist gerade mal einen Katzensprung entfernt – und die Geschichte der Glastechnik ist mit einem südpfälzischen Dorf hier eng verbunden, dessen technische Kompetenzen über Jahrtausende weitberühmt waren, gar bis nach Rom reichten.

Ja, sind wir doch ehrlich – die ersten Fabriken, sprich hoch arbeitsteilig organisierten Werkstätten, wurden zwar in Südrussland gefunden (Kostjonski, ca. 20.000 v.Chr.), zu Zeiten, als die Menschen noch Sammler und Jäger waren, die Stadt- und Hochkulturen freilich mussten von „Bauern“ erfunden werden. Warum traut man uns Landvolk dann so wenig zu?

Ich schätze, dies hat mit der Arroganz zu tun, die Macht verschafft – wer einem anderen Rat und Hilfe geben darf/muss, wähnt sich rasch in dem Gefühl, klüger, besser und, sind wir ehrlich, „wertvoller“ zu sein. Die Landwirtschaft erforderte solche Leute: Richter, die Landstreitigkeiten entschieden, Lehrer, die die Berechnungsmethoden für Land und Baukunst weitergaben, beides Menschen, die Mathematik als objektives, zuverlässiges und unparteiisches Werkzeug vertraten: Mathematik, die für viele heute noch schwer zu verstehen ist und dazu noch denjenigen, die sie beherrschen, ein Gefühl von Klarheit des Geistes verschafft, das sehr rasch umschlagen kann in Unverständnis, wie man Mathematik nicht begreifen und gar ablehnen kann. Lepenski Vir scheint dies schön zu bestätigen. In der Region von Kostjonski gelegen, lebten diese Menschen damals in Trapezhäusern, die ihre Fertigkeit bezüglich Mathematik bis heute nachweist und damit ein deutliches Indiz dafür zu sein scheint, dass sie sehr stolz auf diese Fertigkeit waren. Und es wird ihnen eine „Abschottungstendenz“ nachgesagt, die sehr wohl auf einer gewissen Überheblichkeit beruht haben könnte.

Aristokratie ist schließlich nichts „Einmaliges“, sie taucht immer und immer wieder aus den gleichberechtigten Strukturen auf. Richter waren die ersten Könige, die frühen Universitäten stellten die ersten Päpste und bis heute sind Leute, die für andere Entscheidungen treffen dürfen, rasch der Meinung, „Herrenmenschen“ zu sein. Unsere Politiker und Konzernführer bewegen sich in ihrer unglaublichen Selbstbedienungsmentalität ohne jegliches Schuldbewusstsein genau auf diesem emotionalen Pfad und wer die Entwicklung im Amerika der letzten 20 Jahre verfolgt hat, wer sieht, wie dort das „die Versager sind alle selbst schuld“-Prinzip des „Divide et Impera“ unüberwindbar den Großkonzernen zu einer Macht verhalf, die sie jetzt eine ganze Nation ohne internationale Gegenwehr ausbeuten lässt, der sieht, dass diese biologischen Triebe des Futterneids, letztendlich geboren aus dem Energieerhaltungssatz, bis heute demokratie-zerstörend wirken.

Das hat wohl einfach etwas mit der „Fliege“ zu tun – der Tatsache, dass viele Informationen aufbereitet werden müssen, um eine vernünftige Entscheidung treffen zu können. Und je mehr Informationen durch das System hindurch laufen, umso stärker muss es sich nach der Fliege strukturieren. Das ist nicht nur bei Großkonzernen so, das ist beim Gehirn und beim ganzen Körper so und das ist auch der Grund, warum die ersten Stadtversuche der Menschen nur gerade mal ein halbes Jahrtausend aushielten. Die alten, „objektartigen“, „basisdemokratischen“, sprich wenig strukturierten kulturellen Systeme der Menschen waren einfach nicht in der Lage, die Masse an Information, die von 500 oder 1000 Menschen erzeugt wurde, zu verdauen.

Ein menschliches Gehirn soll von Mutter Natur ein Fassungsvermögen von 150 Personen einprogrammiert bekommen haben, mehr nicht. Wahrscheinlich funktioniert es deshalb so schlecht, denn Mutter Natur wusste schon, warum sie ihren biologischen Einheiten so viele Barrieren einprogrammierte, um sie lebensfähig zu halten. Und natürlich funktionieren diese immer noch auf der alten Ebene von Familiengruppen bis max. 150 Personen (und kein Jota weiter), die naturnah leben und sich deshalb einfach nicht erlauben konnten, derart dämlich zu sein...

wie wir es uns heute erlauben. Unsere eigene „Familie“, sprich Nachbarschaft, Kommune, Nation zu schädigen – durch Schmarotzerei, durch Schnäppchenjägerei, durch Spitzeldienste für die Machtgierigen -, unsere eigene Lebensgrundlage zu zerstören – durch Unachtsamkeit, Faulheit, Imponiergehabe – das alles ist keinesfalls „natürlich“. Denn Mutter Natur programmierte uns Anstand als Systemweisheit in den Kopf und als Strafe für die Verletzung die Schuldgefühle, aber eben leider nur zu den Bedingungen, die „damals“ herrschten. Und dennoch scheint es gelegentlich noch zu funktionieren.

Bis heute heißt es, dass machtgierige Firmenbosse, die zur Domina gehen, nichts anderes tun, als ihre Erkenntnis zu befriedigen, dass sie sich gegen ihre ureigensten Interessen, den Schutz der „eigenen Herde“, gewendet haben und es heißt, dass Kinder, die für Untaten nicht bestraft werden, sich ihre Strafen herbei träumen.

Beide wissen genau, dass die eigenen Interessen immer auch die Interessen des eigenen Systems sind – weil Menschen nun mal seit 5 Mio. Jahren nicht wegen ihrer Muskeln überlebten, sondern wegen ihrer Kultur.

Wegen ihrer „Herde“.

„Das tut man in einer Herde“ – Ice Age.

Und leider gehöre ich nicht zur Herde derjenigen, auf die gehört wird. Ich bin bloß „Landvolk“, viel zu weit weg von allen Leuten, die zur „Aristokratie“ der einen oder anderen Art gehören. Mein Rufen schallt nicht nur den informationsverschluckenden Puffer ihrer Umgebung hindurch.

Schnief.

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Farscape – Science Fiction, Seele und Zeit

Gottfried Wilhelm Leibniz, 1646-1716:
Das Prinzip von der Identität des Ununterscheidbaren:
Was nicht unterschieden werden kann, ist gleich

Geschichten zeigen immer weitaus mehr als die vordergründigen Handlungsstränge. Sie zeigen auch immer die Gefühlswelt, die Überzeugungen, Gewohnheiten, Voraussetzungen derjenigen, die die Geschichten erzählen, sie zeigen, was den Geschichtenerzählern oft selbst gar nicht bewusst ist.

So deutet der einfache Griff zur Dusche schon beim Eintritt ins Bad, der so gerne bei amerikanischen Filmen gezeigt wird, um eine Spannungsszene mit unverfänglichen Aktionen zu beginnen, schlicht darauf hin, dass viele Amerikaner es für selbstverständlich halten, Wasser ohne Nutzen laufen lassen zu dürfen, nur, weil sie irgendwann einmal duschen möchten. Die ständigen Supermann-Märchen, in denen einzelne Männer ganz alleine gegen Gott und die Welt kämpfen und siegen können, weil sie vor lauter Heldenmut einen Kometen genau an der richtigen Stelle explodieren lassen oder „Badewannen“ für Lava basteln, führt auch keineswegs zu gelangweiltem Kopfschütteln über soviel Weltfremdheit. Nein, das heißt Action und wird bestaunt. Und dass es nicht nur bestaunt, sondern im Innersten sogar geglaubt wird, ist an vielen merkwürdigen amerikanischen Vorhaben zu sehen, mit denen „der Natur“ und „den Feinden“ getrotzt werden soll. War da nicht mal ein ernsthafter amerikanischer Versuch in Italien, strömende Lava mit Steinplatten zuzuschütten oder wenigstens umzuleiten? Natürlich griffen die verzweifelten Italiener nach jedem Strohhalm – und natürlich nützte es nichts. Imponiergehabe ist nun mal keine Intelligenz.

Freilich zeigen nicht nur amerikanische Filme die Welt derjenigen, die sie machen, alle Filme und Geschichten tun das. So offenbaren chinesische Filme nicht nur die schönen Landschaften, die oft richtiggehend heimisch wirken, sie zeigen auch „exotisches“ Verhalten der Menschen untereinander – und exotisch heißt nicht mehr, als „widersprüchlich zu unserem“. Junge Leute sind „ungewöhnlich“ unterwürfig zu älteren, Frauen sind zahm wie Lämmchen, um dann interessanterweise im nächsten Augenblick katzbuckelnd hinter ihrem sterbenden Mann hervorzutreten, ihm die Waffe aus der Hand zu nehmen, sich stolz aufzurichten und seine ganze Armee in die nächste Schlacht zu führen, wohlgemerkt kämpfend wie weiland Johanna von Orleans. Für uns kaum nachzuvollziehen, wie sich Menschen so offen so freiwillig unterwerfen. Natürlich tun wir das eigentlich auch – Stichwort Spiegelsaal -, nur geben wir es nicht zu und nennen es „Pragmatismus im Konkurrenzkampf“.

Besonders interessant waren und sind jedoch die Mythen und Märchen, in denen die Menschen nicht nur von ihrem Alltag erzählen, sondern auch von ihren Vorstellungen über das Innerste der Welt. So konnten Seefahrer in früheren Zeiten das Ende der Erde erreichen und in einem riesigen Wasserfall ins Nichts stürzen und ein einziger Supermann, schon damals eine gängige Vorstellung, vermochte die Welt auf seinen Schultern zu tragen. Die Griechen demonstrieren weiterhin sehr schön die Sakraldrift: von den frühen Vorstellungen über die Macht der Natur, versinnbildlicht durch die Titanen, hin zu den „modernen“ Götterwelten, in denen die weltbewegende Macht als unsterbliche Aristokratie in Burgen und Palästen hauste.

Mit der Sakraldrift veränderte sich auch die Rolle der Zeit. Während sie in frühen Mythen als Schicksalsfaden dargestellt wurde, der über das Wohl und Wehe der Menschen entschied, wurde sie in späteren Mythen durch die Götter abgelöst, für die Zeit keine Bedeutung hatte, die gar den Tod und damit die stärkste Wirkung der Zeit besiegten. Während die Menschen früher den Unbilden der Zeit, dem ständigen Wechsel der Dinge, als dauernde Herausforderung gegenüberstanden, war das undurchsichtige Wirken der Natur mit wachsender technischer Fertigkeit in der Landwirtschaft zum Werkzeug geworden, das sich benutzen ließ – die Saat im Frühjahr rief reiche Ernte im Herbst hervor, Tiere ließen sich gar nach dem Bilde des Menschen züchten. „Die Erde wurde untertan gemacht“, die Menschen begannen zu glauben, dass alles „vorhersehbar“ wurde, dass „nichts dem Zufall überlassen sei“. Und wenn schon sie selbst es nicht begriffen, dann eben ihre mächtigen Stellvertreter im Himmel (Stichwort Spiegelsaal).

Es war einfach ein zu tröstliches Gefühl, als dass die Menschheit hätte widerstehen können. Auf der einen Seite eine Welt voller Zufall, Gefahren und Unsicherheiten – auf der anderen eine wohlgeordnete Welt, in der alles nach Plan lief: Diese Wahl fiel nicht schwer. Zumal letztere Möglichkeit sogar dem Tod einen Sinn geben konnte und danach suchten die Menschen wohl schon seit 100.000 Jahren.

Mindestens so alt schon ist sicher auch die Vorstellung von „Seele“ als Symbol der Identität einer Person, ihres Ich-Bewusstseins, denn wer seinem toten Kind Straußen-Eischalen ins Grab legt, hofft, dass es trotz des jetzigen Zustands genauso aus leblos wirkendem Material (wieder) ersteht, wie ein junger Vogel aus einem Ei erstehen kann.

Unsere Mythen haben diese Vorstellungen noch weiter gesponnen. Unsere Götter sind inzwischen allmächtig geworden, wir selbst ähneln ihrem Bilde schon recht weitgehend und wenn nicht jetzt, so doch in der Zukunft: Science Fiction zeigt uns interessante Einblicke in unsere Überzeugungen. Zeit ist kein Thema mehr, denn Zeitreisen werden selbstverständlich und weite Entfernungen überbrücken wir, indem wir den Raum „kurzschließen“, die berühmten Wurmlöcher. Die Welt wird zum Sandkasten für uns Menschen, in der wir tun und lassen können, was wir wollen. Gegenüber den früheren Vorstellungen haben wir freilich nichts weiter getan, als den Begriff „Magie“ durch „Technik“ zu ersetzen.

Aber Science Fiction führt uns gelegentlich auch sehr nahe an den Kern der Dinge.

Farscape (© Farscape Productions Ltd.) spielte in einer seiner Staffeln mit einer interessanten Idee: Die Hauptrolle war zu einem bestimmten Zeitpunkt dupliziert worden, soll heißen, es gab zwei tatsächlich identische Menschen – nicht nur genetisch identisch, sondern auch geschichtlich identisch.

Das Interessante dabei?

Zu keinem Zeitpunkt nach der Teilung wurden diese beiden identischen Menschen als „dieselbe Person“ gesehen. Sie selbst sahen sich nicht so – und ihre Umgebung auch nicht. Diese beiden Menschen hatten definitiv zwei verschiedene Ich-Bewusstseine (Seelen).

Und dabei war der einzige Unterschied – ihre jüngere Geschichte.

Ihr Körper fixierte sie als „isolierbaren Punkt“ im Raum, ihre Erinnerung fixierte sie in der Zeit.

Und beides war nach der Trennung unterschiedlich.

Gottfried Wilhelm Leibniz, 1646-1716:
Das Prinzip von der Identität des Ununterscheidbaren:
Was nicht unterschieden werden kann, ist gleich

Umgekehrt: Was unterschieden werden kann, ist ungleich.

Ihr Gehirn, dass diese Welt so genau als möglich abzubilden versucht, nutzte die klare Positionierung des Körpers in der Realität als „Ego“, dem Symbol des eigenen Systems mit seinen Möglichkeiten und Grenzen – es formte die Persönlichkeit aus dem, was diese Persönlichkeit erlebte, was ihr Schmerzen bereitete und was ihr Freude machte.

Deshalb waren beide verschieden mit demselben Körper und mit derselben Historie, doch in dem Moment, in dem sie sich teilten, folgten beide ihrem eigenen Schicksalsfaden.

Ganz wie in den alten Mythen.

Ganz wie es die Überlegungen über aktive Informationsverarbeitungen nahe legen.

Denn Zeit ist nicht besiegbar – sie ist ein ewig unverständliches Element des Quantenrauschens, aus dem unsere Welt ersteht, in dem sie sich manchmal Regeln unterwirft und die Gestalt von Information annimmt und manchmal eben nicht, um dann dem zerstörerischen Pfad der Entropie und des Zufalls zu folgen. Jede Beherrschung der Zeit müsste deshalb auch den Zufall beherrschen können.

Den Zufall zu negieren, hilft da wenig. Wir können uns ein geplantes, beherrschtes/beherrschbares Universum so sehr wünschen, wie wir wollen – keine Science Fiction wird jemals Zeitreisen ermöglichen können, denn dazu müssten wir das Wesen der Zeit verstehen.

Das aber werden wir nie. Denn das Werkzeug unseres Gehirns zum Verständnis beruht darauf, dass wir das, was wir verstehen können, in unseren Kopf kopieren können, wir können es uns vorstellen und nachspielen, die Fantasie daran austoben lassen und die Ursachen für die Wirkungen suchen.

Immer in unserem Kopf – als Kopie.

Das aber funktioniert nur mit dem, was sich abbilden lässt, was sich kopieren lässt. Zustände lassen sich kopieren, Veränderung nicht, denn sie ist das, was Zustände vernichtet, um daraus andere Zustände zu erschaffen. Wir „verstehen“ Veränderung schlicht nur dadurch, dass wir die Zustände „davor“ und „danach“ betrachten, wir tun nicht mehr.

Will unser Gehirn uns mit vernünftigen Daten für vernünftige Entscheidungen versorgen, muss es natürlich viele dieser Zustände speichern und interpretieren, denn je besser die Realität „verstanden“ ist, umso besser können die Entscheidungen werden, mit denen wir in dieser Realität bestehen wollen.

Eine ganze Welt wird in unseren Kopf positioniert und wir sind ihr Zentrum.

Das macht uns einzigartig und unverwechselbar, das gibt uns „Seele“ und Identität – die Erfahrungen eines ganzen Lebens, all die unterschiedlichen Orte und Zeiten, die wir erleben durften und die ihresgleichen nicht wieder zu finden sind im gesamten, riesigen Universum.

So mag es Myriaden von Sonnen wie die unsrige geben, Milliarden von Erde-Mond-Systemen, auf denen Leben wie unseres existieren kann, Millionen von intelligenten Rassen...

wir aber bleiben einzig.

Jede einzelne Seele.

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Die faulen Deutschen oder das Prinzip der „negativen Evolution“

Wie der Herr,
so’s G’scherr

Fin de Siècle – der Zenit ist überschritten. Deutschland ist auf dem absteigenden Ast.

Und wir spüren das genau. Nicht nur die LKW-Maut ist eine lächerliche Farce, unsere großen Konzerne haben gerade in der letzten Zeit viel technische Superleistungen versucht, die zu nichts führten als zu Kosten und Blamage. Vorbei die Zeit der Benz, Diesel und Daimler, Siemens und Linde...

Alle Zeitungen sind voll davon und unsere politische Opposition, die das alles über fast zwei Jahrzehnte mit völliger Überschuldung erst herbeiführte, unterstützt dieses Gefühl des Untergangs nur noch. Denn wenn genau die Leute, die das alles nachweisbar trotz der Aufbruchstimmung der 90er Jahre nicht abweisen konnten und das unter der Vervielfachung unserer Staatsschulden, die wir heute nicht mehr geregelt kriegen – wenn also genau diese Leute die heutige Regierung, die selbst mit Magie die jetzigen Probleme des Untergangs der gesamten amerikanischen Satellitenkultur nicht aufhalten könnte, nur lauthals anklagen ohne jegliche Mithilfe oder wenigstens vernünftige Vorschläge, dann ist der Untergang da.

Wenn die Hunde sich nur noch um die Knochen balgen, dann ist der Untergang da. Und sie balgen sich – und wie! Demokratie lebt nicht nur vom Dissens, sondern eben auch vom Konsens, alles zu gegebener Zeit. Doch wie es die Grünen kürzlich so nett sagten: Konsens ist mit dieser Opposition nicht zu machen. Sie wollen nur herrschen, egal wie, egal über wen, egal mit was.

Nur herrschen.

Das steht nun leider so gar nicht in den Zeitungen, besonders nicht in den Massenblättern, die gerne in Schwarz-Weiß für ihre konservativen Brüder schreiben und damit seit 40 Jahren die „Meinung bilden“. Alle schreiben nur über die faulen, unkreativen Deutschen, die endlich mehr arbeiten müssen, über die lähmende Bürokratie, die nur von den „Kommis“ verursacht wurde, über die hohen Steuern, die uns arme Tagelöhner ruinieren.

Leider scheint mir keiner darauf hinzuweisen, dass das alte Sprichwort „Wie der Herr, so’s G’scherr“ immer noch seine Gültigkeit hat.

Da wird in einem langen, interessanten Spiegel-Artikel darüber berichtet, wie unaufhaltsam Deutschland in die Knie geht und wie uns andere Länder überholen, da wird in der Computerwoche berichtet, wie die vollmundig angekündigten Portale der deutschen Automobilindustrie und des bayerischen Staates den Bach heruntergehen (desselben Staates, der sich so gerne als Vorreiter der Technologie sieht und der jetzt trotz „seiner politisch immer richtigen Rezepte“ genauso unter dem amerikanischen Untergang leidet wie der Rest dieses Landes auch): Außer Spesen, nix gewesen. Große Worte und nichts dahinter, das ist Deutschland geworden?

„Die amerikanische Krankheit“ (Michael Adams, Wirtschaftsrechtler an der Universität Hamburg) – Verkaufen ist alles und dafür ist alles erlaubt. Und wer sich selbst am besten verkaufen kann, der darf sich ungeniert bedienen.

Über Jahre hinweg mussten sich deutsche Ingenieure anhören, wie untauglich die „deutsche Art“ sei, Produkte qualitätsorientiert zu entwickeln, wurden getadelt dafür, dass sie so sachlich seien und so wenig „präsentationstauglich“. Technische Perfektion kostet Geld, kostet Zeit, kostet, kostet, kostet...

also richteten sich die Blicke nach Amerika, wo Präsentation zur Kunst wurde und Technik zum Verkaufsschlager. Gerade Microsoft (® eingetragener Firmenname) wurde zum leuchtenden Beispiel, wie durch ein Vielfaches der Marketing-Ausgaben gegenüber den Forschungsinvestitionen Reichtum und Marktführerschaft erworben werden kann. Dazu noch ein wenig „brute force“, Vernichtung von Konkurrenten durch Aufkauf oder Aushungern – und nicht mal Staaten oder Staatengemeinschaften sind mehr fähig, diesen Konzern aufzuhalten.

Das imponiert.

Das macht neidisch. All die anderen Konzernlenker, all die kleineren Manager und Möchtegern-Bosse schauen deshalb nach Amerika und wollen lernen, lernen, lernen, wie man das macht.

Deutsch ist out.

Als Sprache, als Mentalität, als Technikorientiertheit.

Deutsch kostet nur Geld, bringt aber nichts. Wir sind dumm und faul, unsere Kinder sind dumm und faul und Ideen haben wir schon gar keine mehr.

Wir sind so dumm und faul und unkreativ, dass wir nur noch Belastung sind. Die Firmen hierzulande wollen nur noch „offshoren“, weg von Deutschland, weg von den faulen Deutschen, hin zu den billigen Indern oder Osteuropäern, die so sagenhaft leistungsbereit und kompetent sind.

Auch hierzu: Reportagen über Reportagen...

Und täglich flattern uns Spams und Faxe ins Haus: Werd’ deine „leistungsschwachen Mitarbeiter“ los, weg mit den Leuten, die nur kosten und nichts bringen, fort damit und das so billig und schnell, als möglich.

Klingt doch wunderbar, nicht? Klingt richtig nach Effizienz, „leistungsschwache Mitarbeiter“ zu feuern.

Nur Frage: Wer definiert „leistungsschwach“?

Wenn der Herr des Hauses seinen Untertanen ständig seine Macht demonstriert – in der täglichen Arbeit durch Befehle, bei den Mitarbeiterbeurteilungen durch seine Vorurteile, bei den Gehaltsverhandlungen durch den „zarten Hinweis mit dem Zaunpfahl“, dass es genügend andere Leute gibt, die scharf auf den Posten sind...

wie viele Menschen bleiben da leistungsstark?

Oder anders gesagt: Wie viele der „faulen Deutschen“ sorgen sich um ihren Arbeitsplatz? Wie viele der „faulen Deutschen“ vertrauen ihren Arbeitgebern noch? Wie viele der „faulen Deutschen“ werden noch für Leistung belohnt?

Denn Leistungsprinzip ist doch nur noch eine Floskel in Deutschland. Eine Floskel, die besonders gerne von konservativen Politikern in den Mund genommen wird, denen Leistung aber nur dann etwas bedeutet, wenn sie von den „richtigen Leuten“ kommt.

Alte und Frauen können hier ein besonders hell klingendes Lied singen – egal, wie viel sie leisten, sie sind immer nur „Reserve-Armee“, müssen sich mit weniger bescheiden als diejenigen, deren Leistung „erwünscht“ ist, werden zuerst entlassen und kriegen als Letzte neue Jobs.

Eine merkwürdige Vorstellung von Leistungsprinzip, die freilich eine grundsätzliche Einstellung gegenüber „Leistung“ zeigt: Der Leistungsträger ist wichtiger als das Ergebnis.

Und hier, so schätze ich, liegt die Katze im Sack und der Hund begraben.

Über fehlende Patente wird geklagt, über die „deutsche Unfähigkeit zur Innovation“ – doch da bin ich, biete ein neues physikalisches Konstrukt an, mit dem selbst das Jagdgebiet der Informationstechnologie, das bisher eher dem Räuber-Beute-Muster folgte, zu einer Technik werden könnte, in der die „deutschen Nachteile“ von ingenieursmäßigem Vorgehen verwendbar wären.

Und niemand hört mich. Dabei gebe ich mir reichlich Mühe, ist eben nur so, dass meine Mittel beschränkt sind und ich gegen Windmühlen anzurennen habe wie weiland Don Quixote. Windmühlen der Bürokratie, die freilich keineswegs nur staatlich sind.

All die großen Bosse der großen Firmen sind genauso umgeben von Bürokratie – es ist einfach eine Folge von großen Informationsverarbeitungen: Sie müssen sich strukturieren und wenn sie dies als „passive Informationsverarbeitungen“ tun, dann geht das am schnellsten und einfachsten.

Dabei haben sie alle mit der Verkrustung zu kämpfen, die daraus folgt.

Nicht nur Deutschland verkrustet.

Auch Microsoft (® eingetragener Firmenname) tut dies. Zwar verdienen sie noch viel Geld, ihre Innovationsfähigkeit ist jedoch bedauernswert, so aus der Sicht der Analysten und Anleger. Und...

und sie geben mehr und mehr Geld für Forschung aus.

Ist der „deutsche Weg“ also auf Dauer besser?

Natürlich. Gute Produkte müssen zwar verkauft werden, Produkte jedoch, die nicht gut sind, verkaufen sich nicht lange. Microsoft wurde groß durch zu schnelles, voreiliges Verkaufen seiner Produkte, weil es dadurch seinen Konkurrenten Käufer vor der Nase wegschnappen konnte. Sein Ruf litt jedoch immer wieder darunter und baute eine interessante Grundhaltung gegenüber dem Riesen auf: Die Leute kaufen zwar sein Produkt, sie fühlen sich dabei jedoch nicht ganz wohl. Zu oft demonstrierte der Riese nicht nur gegenüber Konkurrenten, sondern auch gegenüber seinen Konsumenten pure Macht und das vergessen manche nicht so schnell.

Dass Linux sich etablieren konnte, beruhte zum Teil auf dem „ABM“-Prinzip: Anything but Microsoft. Und es sieht so aus, als würde Microsoft nun versuchen, dieser Entwicklung gegenzusteuern: Einerseits wieder mit den üblichen Methoden des Konkurrenzkampfs ohne Bandagen, andererseits aber auch durch Verbesserung seines Rufes und durch Innovation.

Leider lässt sich gerade Letzteres nicht zwingen. So können noch so viele Forschungseinrichtungen überall auf der Welt aufgebaut werden – solange ein totalitäres Regime herrscht, wird es keine Kreativität geben: Führungskraft im Sinne von Alpha-Strukturen gewährt nicht genügend Freiheit, um innovativ zu sein.

Und genau das besiegelt den Untergang Deutschlands.

Aber auch den unserer „Führungsmacht“ Amerika. Denn auch dort ist der Verteilungskampf schon längst viel wichtiger geworden als die konstruktive Zusammenarbeit in der gemeinsamen Herde, die doch seit Millionen von Jahren der einzige Überlebensgarant für Menschen war. Der Egotrip des Einzelnen auf Kosten der anderen gilt als „stark“, derjenige hat das Recht, sich zu bedienen und andere im Stich zu lassen: „die sind selbst schuld“ lautet die Devise bei weniger Glücklichen.

Wie Krebszellen, die sich herausnehmen zu wachsen und zu wachsen auf Kosten der übrigen...

und wie Krebszellen zerstören sie dadurch den „leistungsstarken Organismus“, der sie hervorbringen, aber nicht bekämpfen konnte.

Amerikanische Probleme sind deutsche Probleme geworden: Know How und Arbeit verlässt das Land, weil die Inländer zu dumm und zu faul und zu teuer sind...

und nur die Bosse klug und fleißig sind und deshalb das Vielhundertfache derjenigen verlangen können, die sie so gerne in Massen entlassen.

Fällt dieser Führungsriege nicht auf, dass ihre ungezügelte Selbstbedienungswut von anderen gesehen wird? Haben sie noch nie etwas von Soziomathematik gehört? Was denken sie sich eigentlich dabei, die ganzen 90er Jahre zu raffen und raffen und gleichzeitig ihren Arbeitern vorzujammern, wie teuer sie doch seien? Wundert sich da irgendjemand darüber, dass diese Arbeiter ein Stück von dem riesigen Kuchen abhaben wollen, den ihre Führungsriegen so ostentativ für sich beanspruchen?

Das einzige Wunderliche daran war eigentlich nur, dass deutsche Gewerkschaften unter konservativen Regierungen duldsamer waren als unter sozialer Oberhoheit – alles eine Frage von Macht, von Revierkämpfen und Grenzziehungen, nicht wahr? Genauso wie die Opposition bereits jetzt schon in ihren eigenen Reihen die Macht verteilt, die sie in den nächsten 20 Jahren wieder unangefochten innehaben wird: ohne gute Vorschläge, ohne bessere Politik, mit der gesamten historischen Altlast, den „Mist überhaupt erst verbockt“ zu haben, dafür freilich mit der wohlwollenden Gunst der Massenmedien, die auch unseren „amerikanischen Freunden“ erlauben, zu tun und zu lassen, was ihnen behagt.

Politik ist immer ein schönes Zeichen für das, was die Menschen denken: Nur noch Macht zählt, keine Argumente, keine Ursachen-Wirkungen-Überlegungen – wer am lautesten schreit, hat Recht, wer am meisten verspricht, hat Recht, wer am besten lügt, ohne sich erwischen zu lassen, hat Recht...

im Kleinen, wie im Großen.

Wenn die Hunde sich um die Knochen zanken...

ist das Tier tot.

All die Mühen, es zu gebären und am Leben zu halten, sind dann denjenigen zugute gekommen, die es gefressen haben.

Das ist in der Biologie genauso wie in der Kultur: Auch in der Kultur wird Innovation aus ersten Anfängen geboren, in denen sich andere darum kümmern, sie hegen und pflegen, bis sie groß und kräftig geworden ist...

und Neid erweckt, sodass die „Starken“ sich dann darüber hermachen und sie auffressen.

Einer meiner Lehrer nannte dies „negative Evolution“: Die Anständigen tun ihren Job, stehen deshalb zu ihren Fehlern und büßen dafür, die anderen hängen dagegen an ihren Jobs, verschweigen ihre Fehler und werden befördert.

Bei Kulturen nennt sich das dann Dekadenz. „Fin de Siècle“ von Stefan Bos beschreibt dies sehr schön, diese gelangweilte Lust an Zerstörung von Leuten, die nie etwas konstruktiv getan haben, weil sie das Prinzip „Raub“ als die effektivste Art, reich zu werden, perfektionierten.

Deutschland ist da keine Ausnahme. Rom erlebte dies, Spanien und Frankreich erlebten dies, England und Amerika – und eben auch Deutschland. Aus Anfängen mit wenig großen verkrusteten Saurierstrukturen erhob sich das Wirtschaftswunder, um genau solche allgegenwärtigen verkrusteten Boss-Strukturen zu erzeugen, die uns nun das Leben aussaugen, bis wir wieder am Ende sind – das ist nicht nur deutsches Los. So wird es auch den Indern (wieder) gehen und den Osteuropäern, die bisher noch „kreativ und aufbruchsbereit“ sind und zwar, weil irgendwo alle noch „an einem Strang ziehen“. Wenn sie dann Erfolg haben, werden diejenigen, die weniger Arbeit in den Erfolg der Gruppe als in den eigenen investieren, mehr Karriere machen, weil sie mehr Zeit und Kraft dafür aufbringen konnten, werden die Gruppe nach dem eigenen Bild formen, die Menschen „bekehren“, dass nicht mit anderen, sondern nur durch andere „etwas erreicht“ werden kann, Schmarotzerei und Schnäppchenjägerei werden ungeahnte Ausmaße annehmen...

und sie werden genauso das, was sie sich durch fleißige Arbeit erbaut haben, wieder vernichten durch die unkonstruktiven Triebe des Futterneides (Stichwort Bananenhaufen).

Dekadenz.

Könige/Führer/Bosse machen zwar herrliche Hochkulturen/Reiche/Superkonzerne, doch sie töten Kreativität. Einfach...

weil Information Wirkung ist und zu ihrer Verarbeitung Arbeit aufgebracht werden muss, die sich den physikalischen Regeln beugen muss. Tut sie dies „passiv“, durch starre Befehlsstrukturen, so kann sie genau wie jede passive Informationsverarbeitung nur an den Einzelfall der Aufgabenstellung angepasst sein. Kreativität gibt es hier nur zwischen den Generationen, denn Lernen, sprich Anpassung, bedeutet die Veränderung dieser Befehlsstrukturen.

Solange der Kopf der Informationsverarbeitung noch genügend Überblick hat und klug genug ist, mag er imstande sein, seine starren Befehlsketten rasch genug an veränderte Bedingungen anzupassen. Doch je größer sein Machtgebiet, umso schwerer wird es, den Überblick zu behalten – am Ende ist es faktisch unmöglich.

Nur aktive Informationsverarbeitung ist schließlich in der Lage, nicht nur in Echtzeit zu reagieren, sondern auch auf Individualebene zu lernen. Dafür aber müssen regelbasierte Methoden verwendet werden – und die können nicht verordnet werden, denn die Aufnahme und Bewertung der Informationen obliegt dem verarbeitenden Organ selbst. Und das Prinzip „Bewertung“ bedeutet letztendlich: eigene Abschätzungen, eigene Entscheidungen.

Nur Rituale, nur exakte Formeln taugen für Befehle. Und Befehle taugen für Bosse. Das ist Verhaltensforschung und wird viel zu häufig vergessen bei all den schönen Betrachtungen über unsere schönen Führungsriegen.

Das ist der Grund, warum Leistungsträger wichtiger als die Leistung sind – weil die biologische Programmierung der Alphas zwar zum Schutz der Herde diente, die Herde dem Alpha jedoch immer nur als „Nahrung“ dient, als Lieferant, als Basis seiner Herrschaftsansprüche, und weil er deshalb immer „treue Untertanen“ bevorzugt (Stichwort Bananenhaufen).

Die Ironie bei der Menschheitsgeschichte ist wohl, dass die nächste Verwandtschaft im Affenreich die intelligenteste Affenart überhaupt ist...

und dass sie keine Alphas kennt.

Deshalb konnten die Vormenschen wohl mithilfe gemeinsamer Kultur von den Bäumen steigen, die Steppen, Wüsten und Gebirgen erobern und Sprache und Schrift erfinden.

Nur um am Ende der Erbsünde zu verfallen und zu regredieren zu den straffen Strukturen der Alphas.

Jedes Mal, wenn Kulturen erstehen, deren innere Abhängigkeiten flexibel sind und auf gemeinsames Wohlergehen ausgerichtet, auf Freiheit und auch Selbstverpflichtung des Einzelnen, auf Verantwortung gegenüber der Gruppe, werden Innovationen getätigt, gehegt und gepflegt – schlicht und einfach oft deshalb, weil einer den anderen überhaupt ansieht/anhört und deshalb Innovationen erkennen kann und dann noch willens ist, sie zu akzeptieren und zu übernehmen. Viele Erfindungen der frühen Menschheit sind wahrscheinlich von Kindern im Spiel getan worden und über die Mütter weitergegeben worden: von unten nach oben. Kaum denkbar in einer straffen Alpha-Kultur, auch wenn Einstein mit Max Planck ein ähnlich glückliches Schicksal erfuhr.

Wenn die Innovationen dann Früchte tragen, kommen die Räuber und ihre Gegenreaktion, die „Helden“/Krieger, die den Ertrag ernten, ihre Einheiten organisieren, ihre Führungsriegen etablieren, bis am Ende diejenigen, die die Werte schufen, unter der Last ersticken.

Das ist dann das Ende der jeweiligen Kultur. Und während es direkt nach Erfindung der Landwirtschaft oft noch Jahrtausende für den „Lebenszyklus Kultur“ benötigte, braucht es heute nur mal knappe 100 Jahre.

Amerika, wie wir es kennen, ist kaum älter – und Deutschland, wie wir es kennen, wird’s wohl kaum werden.

Weil wir uns, wenn wir reich und bequem werden, viel zu viele Machtstrukturen erlauben, die den Fluss an Information behindern: Grenzen stören Kommunikation immer.

Das wiederum heißt schlicht, dass wir, als Gruppe, „leistungsschwächer“ sind als solche mit hoher Kommunikation.

Sprache unterstützte Kommunikation und machte uns damit zur mächtigsten Rasse dieser Welt – unsere biologischen Triebe freilich reduzieren genau diese Kommunikation, behindern dadurch Information, lassen dadurch unsere gemeinsame Intelligenz sinken...

und verschlechtern dadurch unsere Entscheidungen (Bertrands Paradox) und senken dadurch unsere Überlebensfähigkeit.

Je mehr Alpha-Strukturen wir uns erlauben, umso mehr haben die Alphas das Sagen – sprich, umso weniger werden die „kleinen Leute“ gehört. Intelligenzmäßig schrumpft deshalb die Gruppe auf die Intelligenz der paar Machthaber – und da der IQ der Menschen nur knappe 5-10 Punkte über den klügsten Affen liegt, und das immer auch für die Mächtigen zutrifft, zumindest nach einer gewissen Einschwingphase...

ist das eine Verschwendung, die sich keine Kultur erlauben kann.

Das ist es, an was Deutschland leidet.

Nicht an uns Deutschen.

Sondern an der Menschheitsregression, an unserer Neigung zur Verantwortungsverweigerung, zur Dekadenz, an der (keineswegs rein deutschen) Führungsgläubigkeit, an den Aristokratien, die wir uns erlauben, weil wir zu bequem geworden sind, für uns selbst zu denken...

und zu gierig geworden sind, ab und zu auch mal anderen etwas zu gönnen.

Divide et impera – in dem Moment, in dem die kleinen Leute sich zerfleischen, haben die großen Leute immer gewonnen.

Und wenn große Leute gewonnen haben, verliert sich die Intelligenz der Kleinen.

Schaut mich an.

Q.e.d.

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